Berlin im Blick - Axel Müller MdB zur aktuellen Lage

02.11.2020

03.11.2020 - Corona - und was nun daraus folgt?

Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde!

Die geradezu explodierenden Corona-Zahlen in Deutschland lassen uns die vergangenen Sommerwochen und –monate in Oberschwaben, im Allgäu und dem Zocklerland seltsam fern erscheinen. Es liegen wieder einmal turbulente Tage hinter uns und eine ungewisse Zukunft vor uns. Und die bundesweit erneut beschlossenen Maßnahmen sind – da hilft kein Lavieren – hart.

Selbstverständlich darf darüber diskutiert werden, was davon notwendig ist oder was mit Blick auf die zu erwartenden Verluste und Einschränkungen vielleicht doch zu weit geht und auch kurzfristig korrigiert werden muss. Folgerichtig haben wir uns seit März im Deutschen Bundestag in mehr als 70 Debatten mit der Corona-Pandemie auseinandergesetzt. Im Rahmen unserer Zuständigkeiten haben wir Abgeordneten zu keinem anderen Thema so lange und intensiv debattiert wie zu Corona. Von einer mangelnden Parlamentsbeteiligung kann da eigentlich nicht die Rede sein, eher von mangelndem Wissen um diese Tatsachen.
Ich kann Ihnen auch versichern: der Deutsche Bundestag gibt keine seiner originären Kompetenzen an die Regierung ab. Wir kontrollieren nach wie vor sehr wachsam die Maßnahmen der Bundesregierung. Gleiches gilt für die Kolleginnen und Kollegen in den Landtagen, mit denen wir im regelmäßigen Austausch stehen. Aber die starke Dynamik des Geschehens verlangt rasche Entscheidungen und der Grundsatz der Gewaltenteilung in einer rechtsstaatlichen Demokratie gebietet es, dass es die Exekutive ist – und damit die Bundes- und Landesregierungen – die die Gesetze vollzieht und entscheidet, welche Maßnahmen dabei zu ergreifen sind.

Warum sind – nach den unzureichenden Ergebnissen der Bund-Länder-Konferenz von vor 14 Tagen – nun so rasche und harte Entscheidungen nötig gewesen? In ihrer Regierungserklärung am vergangenen Donnerstag hat unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel unter anderem auf folgenden wichtigen Umstand hingewiesen: am 8. Oktober waren knapp 800 Intensivbetten mit Corona-Patientinnen und -patienten belegt, nur zehn Tage später waren es fast 1.600. Bei einer Verdoppelung im 10-Tagesrhythmus wird unser Gesundheitssystem in wenigen Wochen die Patienten absehbar nicht mehr angemessen versorgen können.
Die gemeinsamen Beschlüsse von Bund und Ländern in der vergangenen Woche sind daher eine erforderliche und geeignete Maßnahme und sie sind – auch mit Blick auf das Vorgehen unserer Nachbarländer – noch das mildeste Mittel. Die beschlossenen Maßnahmen zielen darauf ab, die Zahl der Kontakte zu vermindern, denn nur durch Kontakte steckt man sich an. Deshalb sind seit gestern nun Treffpunkte und Orte der Begegnung geschlossen. Natürlich bedeutet dies einen gravierenden Einschnitt in die Lebensqualität von uns allen und natürlich werden wir Besuche im Restaurant, Kino und Theater oder bei der Kosmetikerin in den kommenden Wochen vermissen.

Aber wie soll die notwendige Verminderung der Kontakte um 75 % gelingen, wenn wir gleichzeitig die Betriebe, Schulen und Kindergärten nicht schließen wollen?
Es ist mir sehr wichtig zu betonen, dass es nicht um Schuldzuweisungen gegenüber bestimmten Branchen oder Lebensgewohnheiten geht. Das ist auch gar nicht möglich, weil wir bei über 70 % der Infektionen gar nicht mehr sagen können, wo sie entstanden sind. Konkret heißt das: Man kann also nicht mehr genau nachverfolgen, ob sich der Vater am Arbeitsplatz, im Zug oder im Restaurant infiziert hat. Aber wenn die Tochter angesteckt wird, weiß man, von wem. Das wird dann statistisch unter „privater Bereich“ vermerkt. Entscheidend daran ist aber: Das Virus kommt von draußen in die Wohnung.

Mit Blick auf die überaus dramatische Entwicklung der letzten Wochen musste – natürlich – auch der geplante Bundesparteitag der CDU abgesagt werden. Vorneweg: Wahlen und Wettbewerb ge-hören zur Demokratie und damit zur Christlich Demokratischen Union ganz selbstverständlich dazu. Trotz Corona, trotz explodierender Infektionszahlen, trotz Lockdown. Daran zweifelt hoffentlich niemand. Wenn aber das gesamte Präsidium (23 Mitglieder) und der Vorstand (41 Mitglieder) unserer Partei zu einem einstimmigen Beschluss kommen – Absage des Präsenzparteitags am 4. Dezember 2020 – dann sollte diese Entscheidung eigentlich alle Kontrahenten disziplinieren. Es war aber – leider – der Auftakt für eine selbstzerstörerische Phase der öffentlichen Schuldzuweisungen. Das schadet unserer Partei in Gänze und ist daher für mich absolut nicht akzeptabel. Und wer zur Lösung der Situation eine bundesweite Briefwahl vorschlägt, der verkennt, dass der ganze Parteivorstand gewählt werden muss. Der Wahlprozess hätte 74 Tage in Anspruch genommen – nach den Worten Dr. Wolfgang Schäubles „ein unwürdiges Schauspiel“. In der größten nationalen Krise der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt sich die tragende Regierungspartei 74 Tage mit sich selbst. Wer das fordert, muss sich die Frage gefallen lassen, ob er an das Große und Ganze denkt oder nur persönliche Einzelinteressen im Blick hat und ob das bei den Wählerinnen und Wählern – die ja nur zu einem Bruchteil Parteimitglieder sind – noch vermittelbar ist.

Abschließend: Wir alle müssen jetzt verantwortungsvoll mit der Lage umgehen. Dann kann es uns auch dieses Mal mit – im Vergleich zu anderen Ländern – eher maßvollen Maßnahmen gelingen, die Überlastung unseres Gesundheitssystems wirksam zu verhindern. Meine dringende Bitte: Helfen Sie alle mit! Der Staat kann, will und darf nicht alles kontrollieren – insbesondere nicht in Privathaushalten. Deshalb ist nun jede/r von uns aufgefordert zu überlegen, wie man mit dem eigenen Verhalten zur Eindämmung des Virus beitragen kann.

Bleiben Sie in diesen Zeiten besonnen, behütet und vor allen Dingen gesund!
Mit besten Grüßen und Wünschen
Ihr/Euer
Axel Müller, MdB
Vorsitzender Richter am Landgericht a.D.